05.11.-09.11.2023
SaPa und Umgebung - das Dach Vietnams
05.11.2023 SaPa
Da die Liegesitze im Bus eher die Durchschnittsgröße der Vietnamesen bedienen, ist an guten Schlaf nicht zu denken. Gegen die Busse ist ansonsten nichts zu sagen. Es wird sehr auf Reinlichkeit geachtet, die Schuhe sind beim Einsteigen auszuziehen und in eine eigens gereichte Plastiktüte zu verstauen. Die Liegesitze haben Decken und verstellbare Lehnen und es ist sicher besser, wenn man durch zugezogene Vorhänge vermeidet zuzuschauen, wo und wie der Bus die kurvenreiche Strecke entlangbraust. Es schunkelt jedenfalls gewaltig und es fühlt sich nach Raserei an. Für uns völlig überraschend ist der Bus auch bereits um 3.00 Uhr morgens - 3 Stunden früher als von unserem Hotelier angekündigt - auf dem Marktplatz von SaPa und wir sind etwas ratlos, was wir hier nun tun sollen. Es ist alles dunkel und geschlossen. Ein freundlicher Taxifahrer fährt uns zum Hotel, das komplett verriegelt ist. Der Fahrer telefoniert die Hausherrin aus dem Bett, die uns sehr freundlich ihren leeren Schlafsaal anbietet; so kommen wir doch noch zu ein paar Stunden Schlaf und am Morgen können wir bereits unser Zimmer beziehen.
Ein erster Spaziergang
Das ausgestorbene dunkle SaPa hat sich komplett gewandelt, als wir gegen Mittag zur ersten Ortserkundung aufbrechen. Schauen wir noch von unserer Dachterrasse in das dörfliche Flusstal mit seinen beginnenden Reisfeldern hinab, hupt und zappelt alles auf der anderen Seite des Hangs, wir sind mitten im Ortsgetümmel.
SaPa wurde zuerst durch die Bergstämme der Hmong und Yao bewohnt, die noch heute in diesem Gebiet leben. Die französische Bergstation leitete die Entwicklung zur Stadt ein und spätestens mit der Eröffnung der Seilbahn zum höchsten Berg Vietnams, dem Phan Xi Păng, ist es mit der Ruhe vorbei.
Ein Spaziergang durch SaPa ist wie ein langer Marsch über einen belebten Marktplatz. Die Bergvölker bieten ihre Waren nicht nur in der riesigen Markthalle an, die man am Ende des Weges durch den Ort erst erreicht; sie verfolgen und begleiten dich auf Schritt und Tritt. Lärm, Geruch und Farben - alles erinnert uns an den Trubel südamerikanischer Städte, wie etwa La Paz.
SaPa zeigt auch die enormen sozialen Verschiebungen, die die wirtschaftliche Entwicklung des Landes mit sich bringt. Für das Nationalbewusstsein ist ganz offensichtlich „Fansipan Legend“, so nennen die Vietnamesen ihr buddhistisches Disneyland auf dem höchsten Berg des Landes, ein Muss. Die vietnamesische Regierung versteht es, religiös tolerant den Nationalstolz mit buddhistischen Grundhaltungen zu verbinden. Mit dieser atheistischen Religion können offensichtlich alle gut leben. Für die neu entstehende vietnamesische Mittelschicht, die sich expressiv egozentrisch und konsumorientiert zeigt, ist „Fanispan Legend“ offensichtlich ein Pilgerort, an dem ausschließlich für Fotoshootings angereist wird. Die extravaganten Modeauftritte stehen im krassen Kontrast zu den Ärmsten, den Angehörigen der umliegenden Bergstämme, denen diese Wohlstandsvietnamesen wie Außerirdische vorkommen müssen.
06.11.2023 Auf den Phan Xi Păng
Auch wenn alles disneyartige dagegen spricht, dieser Ort entfaltet ohne Zweifel eine spirituelle Magie. Wir haben sicher auch etwas Glück mit unserer Reisezeit, denn wenn die langen Warteschleifen, die hier durch Absperrgeländer angedeutet werden, tatsächlich mit Menschenmassen gefüllt würden, dann wäre wohl auch die Anmut der Buddhastatue dahin.
So aber sind wir durch unsere frühe Auffahrt fast allein vor dem riesigen Amithaba. Und er macht den Vorstellungen der Pilger alle Ehre: Als eine transzendierte Buddhaform ist er der „Buddha des grenzenlosen Lichts“. Er thront im reinen Land „Sukhavati“ und wird besonders im ostasiatischen Raum verehrt und mit der Hoffnung verbunden, in seinem reinen Land wiedergeboren zu werden. In Verbindung mit der Wetterlage - es bricht immer wieder gleißendes Licht durch dichte Nebelwände - strahlt sein Blick erhabene Gelassenheit aus.
Avalokiteśvara, eine Bodhisattva, die das Mitgefühl aller Buddhas enthält und der Hauptbegleiter von Amitabha Buddha auf der rechten Seite ist.
07.11.2023 SaPa
Mal einen Tag treiben lassen. Es regnet aus Eimern und bis zum Mittag liegen wir im Zimmer und schauen gelegentlich aus den Fenstern ins Tal - also da hin, wo das Tal sein müsste - in den Regen. So heftig, wie es geschüttet hat, so schnell reißt alles wieder auf und wir haben den schönsten Blick auf die Berge und Sonnenschein. Wir taumeln durch die Straßen, lassen uns Handarbeiten aufschwatzen und planen ein wenig die nächsten Tourabschnitte.
08./09.11.2023 Wanderung in die Dörfer der H`mong, Dzao und Dzay
Pünktlich 9.00 Uhr starten wir mit unserer Begleiterin Sinh ins südliche Flusstal. Es geht einfach aus SaPa heraus und wir wollen die Dörfer Lao Chai (H´mong), Ta Van (Dzay) und Giang Ta Chai (Dzao) ansteuern - und es beginnt pünktlich mit dem Regen. Durch Schlamm und Geröll kämpfen wir uns den Hang hinunter. Sinh, eine Dzay aus dem Dorf Ta Van, erklärt uns ihre Heimat. Die Indigopflanze ist hier für alle dunklen Farben der vielen Handarbeiten die Grundlage. Die Blätter färben schon allein durch Reiben die Hände blau. Beeindruckend, wie daraus durch wochenlanges Einlegen das Schwarz der H`mong wird. Ebenso beeindruckend, wie die Frauen ihre feinsinnigen Muster mit Honigwachs auf den Stoff zeichnen. So kommen die Muster beim Einfärben auf die Tücher. Die terrassierten Hänge werden mit Reis und Indigo bepflanzt. Wasserbüffel durchwühlen den Schlamm und wir sehen bald den Büffeln sehr ähnlich, weil auch wir den Schlamm durchwühlen, es regnet bis zum Mittag in Ta Van.
Nebenbei ist es völlig unmöglich, den vielen Händlerinnen zu entkommen. Lan begleitet uns bereits aus SaPa heraus und bleibt uns bis Lao Chai treu. Sie hilft, wenn es rutschig ist und unterhält sich mit uns - unmöglich, ihr am Ende nichts abzukaufen.
Unser Homestay am Ende von Ta Van ist einfach und gut. Sehr schön ist der Nachhilfekurs im Frühlingsrollewickeln, den Sigrun ernsthaft angeht.
In Ta Van haben wir noch Einblick in die Grundschule bekommen, Sinh hat kurz ihre Tochter vorgestellt. Die Räume sind einfach, aber wir können auch in diesen Bergdörfern feststellen, dass die Schulen zu den guten Gebäuden des Ortes gehören. Bildung ist ein hohes Gut in Vietnam.
Am Abend wird noch Selbstgebrannter von Sinh aufgetischt, der sicher dazu beigetragen hat, dass wir gut und schnell eingeschlafen sind.
Wir wandern endlich in der Sonne in die nächsten Dörfer und Sinh erzählt, dass alle Stämme ihre eigene Sprache haben. H´mong und Dzay können sich nur über Vietnamesisch verständigen. Es ist eine wundervolle Landschaft, wie so oft ist aber auch Armut und Müll eine Kausalität, die Plastikwelt richtet hier sehr viel Unheil an. Auch der Baustoff Asbest wird hier noch hoch geschätzt, während manche Vietnamesen konstant im Alltag Maske tragen, sehen wir Bauarbeiter auf Dächern Asbest verarbeiten, ohne jegliche Schutzkleidung.
Danke Sinh.
Ein letzter Ca Phe und dann bringt uns der Nachtzug aus Lao Cai nach Ninh Binh. Das nächste Abenteuer in der „trockenen Halong-Bucht“ wartet schon.