18., 21. und 28.11. Saigon

Saigon ist etwas ganz anderes als Hanoi. Viel modernes, buntes und kapitalistisches Lichtergewirr, Skyline und Luxuslimousinen inklusive - und dazu trotzdem alles typisch vietnamesisch, nur noch lauter. Besonders der Verkehr ist gigantisch und idiotisch. Diese ganzen Motorbikes … Öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum oder scheinen verpönt zu sein. Wer etwas auf sich hält, sitzt auf etwas Knatterndem, Fußgänger sind die letzten in der Hierarchie des Menschseins.

 

Wir nehmen uns hier nicht zu viel vor. Saigon ist unser Drehkreuz. Wir werden ins Mekongdelta nach Can Tho fahren und wiederkommen; dann geht es noch für sechs Tage auf die Trauminsel Phu Quoc. 

Für einen Tag werden dann alle Mitbringseleinkäufe im großen Markt erledigt.

Einen ersten Überblick über die riesige Stadt kann man sich vom Bitexo Financial Tower verschaffen. In atemberaubender Geschwindigkeit fährt der Lift auf die Aussichtsplattform in der 49.! Der Ausblick über das Häusermeer ist fantastisch. An diesem Gebäude ist auch wieder die seltsame Mischung aus sozialistischem Landesstolz und der kompletten Auslieferung an den Neoliberalismus unserer Tage zu erleben. Das alles scheint kein Widerspruch zu sein. Der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes wird alles untergeordnet, egal, wer und was da unter die Räder kommt. Die sozialistischen Plakate und der Ho-Chi-Minh - Kult sind dabei nur noch Folklore.

Wir schlendern durch den ersten Distrikt und schauen uns nach den Überresten der Franzosen um: Oper, Post, Rathaus und dann auch die Schauplätze unserer Reiseliteratur. Das „Continental“ und die Rue Catinat waren ja für Greenes „Stillen Amerikaner“ zentral.

19.-21.11. Can Tho (Mekongdelta)

Bevor wir es am Meer austrudeln lassen, soll es noch das letzte große Abenteuer in den Deltasümpfen des Mekong geben. Sigruns Kindheitserinnerungen an ein Buch, das die schwimmenden Märkte des Mekong beschrieb, waren ein Auslöser für unsere Vietnamreise. Doch um es gleich vorwegzunehmen - unseren romantischen Vorstellungen kann die Gegend nicht mehr entsprechen:

Can Tho ist der Hauptort des Mekonggebietes in Vietnam. Eine Großstadt mit 1,5 Mio Einwohnern. Die Fahrt mit dem Auto heraus aus Saigon fühlt sich an, als wäre die ganze Welt ein Markt, den man nur motorisiert betreten darf. Irgendwann wird die Straße nur noch an beiden Seiten mit Hütten und Plantagenhäusern, Lagerhallen und Straßenküchen begrenzt, dahinter kann man die Plantagen erahnen, Reisfelder, Bananen, Kokospalmen …

Natur sehen wir nicht auf der Fahrt. Das Delta ist von den Franzosen (bzw. den Millionen von Zwangsarbeitern) erschlossen und kanalisiert worden. Seitdem ist es die Speise- und Kornkammer des Landes.

 

Can Tho selbst gleicht jeder anderen vietnamesischen Großstadt: Viel Gehupe und Verkehr, ein paar Protzbauten, hier vor allem Brücken und neue Hotels und immer wieder Märkte. Hier in der Nähe sollte Sigruns Kindheitstraum, der größte schwimmende Markt - cái răng - stattfinden. Dafür muss man früh aufstehen. Wir vereinbaren mit einem älteren Herren eine Bootsfahrt für den nächsten Morgen: Treffpunkt am Kai 5.30 Uhr!

Dann stürzen wir uns in den Nachtmarkt von Can Tho, der wirklich berauschend gutes Essen in überschäumender Vielfalt darbietet.

 

Die Fahrt in der Morgendämmerung über einen der Hauptarme des Mekong ist sehr angenehm, der Wind noch frisch. 6 km müssen wir aus Can Tho hinaus, aber ein Dschungel wird es nicht. Der Markt wird schließlich hinter einer großen Autobahnbrücke angekündigt und wir dümpeln mit unserem Sampan durch die Händlerboote. Wir können uns nicht helfen, dies ist ein sterbendes Metier; der Markt macht den Eindruck, dass er vor allem für uns Touristen am Laufen gehalten wird. Warum sollte man auch auf dem Wasser handeln, wenn am Ufer die Infrastruktur voran schreitet und die großen Konzerne ihre Lagerhallen bereits überall zu stehen haben? Die Bilder sind immer noch schön, aber wir beobachten ein Schauspiel, das nicht mehr lange aufgeführt werden wird.

Zu unseren schönen Erlebnissen gehört ein Spaziergang durch die Wohnungsgassen in der Innenstadt. Wir werden Zeuge einer hauseigenen Reispapierherstellung und werden an jeder Haustür herzlich angewunken.

Auch die Einsicht in eine Reisnudelproduktion war spannend. Jedes Nudelnest verlangt einen enormen Aufwand und wie von Zauberhand erschaffen die Nudelmacherinnen diese hauchdünnen Teigscheiben, die dann getrocknet und geschnitten werden.

Insgesamt macht uns der Besuch dieser Gegend doch sehr nachdenklich, ob nicht diese rasante wirtschaftliche Entwicklung eher beklagenswert ist. Sehr viele Vietnamesen haben kaum etwas von dieser Geldvermehrung und hausen weiter in prekären Verhältnissen. Eine zweite Bootstour durch die kleineren Kanäle der Gegend zeigt uns in der „grünen Hölle“ auch fatale Auswüchse des Müll- und Abfallproblems. Es scheint überhaupt kein Bewusstsein für diese Selbstzerstörung zu geben. Es wird geangelt und gleichzeitig können Styropor, Mülltüten und Plastiksäcke vorbei treiben, ohne dass es eine Reaktion gäbe. Unsere Bootsbesitzerin, eine sehr alte Dame, muss mich mehrmals bitten, die Plastiktüten von der Motorschraube zu entfernen. Am Ende unserer Tour haben wir einen kleinen Müllhaufen im Boot. Als wir uns am Kai von ihr verabschieden und noch einmal zurück blicken, räumt sie ihr Boot auf und wirft alles wieder zurück in den Fluss.