Vietnam - wir lassen uns Zeit

Endlich ist es so weit. Wie wir die Zeit vor dem 28.10. gemeistert haben, ist nicht so ganz klar, nun aber auch egal. Rucksäcke sind gepackt und wir sind unterwegs.

Vorfreude und Hoffnung, dass unsere Anreise nach Hanoi gut klappt, haben uns nun ganz eingenommen. Über Dubai geht es in die Hauptstadt Vietnams. Von dort melden wir uns frühestens am 29. (Sonntag) und dann in regelmäßigen Abständen.

Wir wollen zunächst in den Norden zum Wandern und uns danach langsam nach Süden treiben lassen. 

28.10.2023 bis 29.10.2023

 

Unsere Anreise war von Schwerin nach Hamburg am beschwerlichsten. Der RE war so überfüllt, dass er an einigen Halten niemanden mehr aufnehmen konnte.

Alles andere hat wie geplant funktioniert. Trotzdem schlaucht das lange Sitzen im Flieger, vor allem, wenn die Mittelplätze ein Aufstehen nicht zulassen.

14.30 Uhr Ortszeit betreten wir den Boden der SR Vietnam und fahren mit dem Taxi die achtspurige Magistrale in die Stadt hinein. Je dichter wir der Altstadt kommen, um so dichter wird auch das Gewimmel. Die Straßen eng, Autos verstopfen die Gassen; nur die voll besetzten Mopeds finden ihre Wege durch das Gehupe und Gequietsche. 

 

Unser kleines Hotel ist mitten im Altstadtgewimmel und wie sich herausstellt, ist in unserer direkten Nachbarschaft die berühmteste Straßenküche für BUN CHA. Das wird nach kurzem Mittagsschlaf auch gleich unser erstes Erweckungserlebnis: Dieses einfache Gericht verbindet geschickt sämtliche Attraktionen der vietnamesischen Küche: Eine Kombination aus Grillhäppchen, Suppe, Nudeln und aromatischen Kräutern. Vor allem muss man die dünnen Vermicelli-Nudeln (Bun) und die knusprig gebratenen Hackbällchen (Cha) in einer kleinen Suppenschüssel gut mit den Kräutern und der traumhaften Soße (Brühe, Zucker, Fischsoße, Zitronensaft, Knoblauch) vermengen. Zusätzliches Highlight: Frühlingsrollen, wie wir sie in Deutschland nie sahen und ein Topf mit frisch geriebenem Knoblauch und gehackten Chilis. 

Wir haben schon jetzt das Gefühl, dass unser Reisebericht sich vorrangig ums Essen drehen wird.

30.10.2023

 

Einen Tag Hanoi als Fußgänger überlebt!

Als klassische Touristen gehen wir auf Spaziertour und grasen die Reiseführervorgaben ab: Literaturtempel, Ho-Chi-Minh-Mausoleum, Westseespaziergang mit Tempeln und Pagoden und immer wieder Straßenszenenstaunen!

Als in Europa noch die Dunkelheit herrschte, blühte in Vietnam bereits seit 1070 die Weisheit der konfuzianischen Lehre. Bis 1919 war dieser sogenannte Literaturtempel intellektuelles und spirituelles Zentrum des Landes. Die beeindruckende symmetrisch angelegte Anlage mit insgesamt fünf Höfen, Stelen, Pagoden und Gärten ist auch heute noch eine ruhige Oase inmitten des hupenden Verkehrschaos` Hanois. Sogar ein paar Absolvent*innen in ihren Prüfungsgewändern, die bis heute Opfergaben in die Tempel tragen, sind zu bestaunen. Ansonsten sind wir allerdings Teil des Problems des Massentourismus, denn irgendwie machen die Massen mit ihren Selfies und dem Dauergeplapper den spirituellen Ort auch wieder ganz profan.

 

Wertvollste Reliquien der alten Weisheit sind die Stelenhöfe mit den steinernen Schildkröten. Steintafeln mit den Namen der Absolventen stehen auf dem Rücken von Schildkröten, Symbol für Kraft und langes Leben.

 

Unser Spaziergang führt uns weiter Richtung Ho-Chi-Minh - Mausoleum. Der gesamte riesige Platz mit Mausoleum und gegenüberliegendem Parlament wird mit Sicherheitspersonal überwacht, die Ehrengarde steht Wache vor „Onkel Ho“, aber leider ist das Mausoleum geschlossen.

Wenn überhaupt, dann kommt an diesem Ort noch das alte beklemmende Gefühl des Sozialistischen Einheitsbreis auf, den wir noch von den Maiaufmärschen aus DDR-Zeit kennen. Wir gehen lieber wieder in den Trubel zurück, entlang des Westsees mit dem Blick auf den Hochhauswald von Hanoi, der Tran Quoc Pagode und in den Altstadtdschungel. Ein erstes Frischbier vom Straßenrand und dann sind wir bis in den Abend wieder Teil dieses Gesamtkunstwerks aus Verkehrslärm, Straßenküchen und Händlergeschrei.

31.10.2023

 

Heute zeigt sich wieder ein krasses Beispiel kultureller Aneignung: Mit welcher Energie der Halloweenkitsch hier bei den Ständen zelebriert wird, schlägt selbst das amerikanische Original. Es ist kaum auszuhalten. Auch Weihnachtsstände glitzern bereits in die subtropische Oktobernacht. Dann doch lieber Winkekatzen und Räucherstäbchen.

 

Wir spazieren am Hoan-Kiem-See, dem Ruhezentrum Hanois, entlang. Die morgendlichen Tai-Chi-Gruppen haben wir verpasst - das war uns zu früh. Aber auch später zeigt sich hier die Gelassenheit der Einheimischen, die an den beiden begrünten Längsseiten Hochzeitsfotos, Mittagspause, Schachspiel oder Pärchentreff zelebrieren.

Hinter dem See beginnt das französische Viertel, das mit Beginn der französischen Kolonialperiode das alte Hanoi gegen ein „Kleinparis“ eintauschte. Dass diese französische Schönheit mit Blut und Tränen der Einheimischen bezahlt wurde, ist noch sehr eindrücklich im Museum der Revolution zu sehen. Dieses Volk hat bis 1975 durchgängig unter dem Machtspiel der „großen Nationen“ gelitten (Franzosen, Briten, Amerikaner, Japaner, Chinesen) und dabei einen aufopferungsvollen zähen Kampf um die eigene Identität aufrechterhalten. Die Vitrinen und Bildtafeln in diesem Museum atmen zwar den verstaubten Charme der 90er Jahre, lassen den Besucher aber ehrfürchtig und nachdenklich zurück. 

Die beste Pho gibt es in der 61 Din Tien Hoang bei „Pho Tien“, direkt am Ostufer des Hoan-Kiem. Diese klassische würzig-aromatische Reisnudelsuppe schmeckt eben am besten in den einfachen Familienküchen. Immer mit frischen Kräutern und dünn geschnittenem Rind (Pho Bo) oder Hühnchen (Pho Ga). Zu jeder Tageszeit wird hier geschlürft und geschwitzt.

Die Bahn ist ein weiteres Faktotum aus alten Kolonialzeiten. Die Bahnstrecke von Nord nach Süd geht kurz vor dem Bahnhof Hanoi direkt durch eine enge Gasse, die von Wohnhäusern auf beiden Seiten begrenzt wird. Mit Einsetzen des Massentourismus hat sich die „Train-Street“ zu einem Internet-Hit entwickelt und die geschäftstüchtigen Anwohner haben aus der Straße eine Partymeile gemacht. Vor jedem eintreffenden Zug findet ein spannendes Versteckspiel mit der Polizei statt. Offiziell darf kein ausländischer Gast in dieser Zeit in der Gasse sein, weil es in der Vergangenheit mehrfach zu Unfällen kam. Deshalb werden die Gäste in den oberen Bereichen der kleinen Häuser versteckt und kurz vor Eintreffen des Zuges, wenn der Polizist selbst die Gasse verlassen hat,  dürfen alle ihre Handys zücken. Die Wartezeit kann mit gutem Saigon-Bier überbrückt werden. 

Weiter geht es mit dem Bus nach Cat Ba!