Tag 1: Anreise mit der DB

Dass die Anreise bis nach Andermatt nicht so glatt durchgehen kann, wie uns der freundliche Bahnberater damals im Winter zusammengestellt hat, war uns ja irgendwie schon vorher klar. Dass wir aber schon in Hamburg rennen mussten, weil die Umstiegszeit schon nach Abfahrt in Schwerin aufgebraucht war, ist denn doch die erste Aufregung gewesen. In zwei Minuten von Gleis 11 auf 14. 
Im ICE nach Basel haben wir dann irgendwann festgestellt, dass die Zugverbindung ab Basel so gar nicht mehr existiert, weshalb wir schöne Recherchezeit im Zug verbracht haben - natürlich war das W-LAN kaputt.
Und als wir uns was Neues zurechtgelegt hatten, wurde uns in Freiburg über die Zuganzeige offeriert, dass dieser ICE heute nur bis Basel Bad, dem deutschen Bahnhof in Basel, fährt. Dazu gab es nicht mal eine Durchsage. Großes Durcheinander im Zug und der Zugchef hat sich erst kurz vor Basel zurück gemeldet.
Weil wir unseren Anschlusszug nur bekommen konnten, wenn wir es in 15 Minuten zum Baseler Hauptbahnhof schaffen, sind wir mit dem Rad dorthin gesaust, gemeinsam mit zwei Radlern aus Freiburg, die unser Schicksal teilten - schön durchgeschwitzt und glücklich im IC. Die Doppelstockzüge haben viel Platz für Räder und ab jetzt geht alles pünktlich. Was machen die Schweizer anders, außer dass sie Bahnstrecken durch atemberaubende Bergschluchten bauen? Dank dieser Schweizer Pünktlichkeit haben wir Andermatt nur eine Stunde nach Plan um 19.06 Uhr erreicht. Das Hotel Sonne hat uns sofort in die Schweizer Gemütlichkeit aufgenommen.

Tag 2: An der Quelle

Mit Sonne und Glockengeläut werden wir geweckt. Die Glocken schlagen allerdings nicht von der Andermatter Dorfkriche, sondern hallen von hunderten Kuhhälsen in wunderbarer Kakophonie eine halbe Stunde lang durch die Straßen von Andermatt - es ist Almauftrieb! Für uns auch das Zeichen, dass der Schweizer Sommer beginnt. Etwas später als sonst, es gab reichlich Schnee, der noch lange liegen blieb. Auch der Furkapass ist zu unserem Glück erst seit einer Woche geöffnet. Er ist der einzige Zugang zur Quelle der Rhône. 
Wir wollten nicht gleich völlig untrainiert diesen Hochalpenpass mit Gepäck in Angriff nehmen. Und weil wir uns ja die Rhône von der Quelle zur Mündung vorgenommen haben, ist auch kein schlechtes Gewissen dabei, einen Shuttle-Service vorgebucht zu haben, der uns entspannt den Pass nach oben bringt. Für alle Nachahmer, die auch eher Genussradler und noch ohne E-Bike unterwegs sind, sei dies empfohlen, der Service hat wunderbar funktioniert: 
Pearl Shuttle Gotthardstrasse 38 6490 Andermatt / Switzerland 0041 78 961 99 01

Schon diese Anreise bietet atemberaubende Blicke den Furkapass hinauf. Der Film „Goldfinger“ hat diese Kulisse schon mit James Bond genutzt. Dieser Pfingstsamstag hat sehr viele Motorrad-, Auto- und Rennradfahrer auf diese Passstraße geführt und wir sind sehr froh, diesen Verkehr nicht an uns vorbei fahren zu lassen, während wir uns diese steile Rampe hochquälen. So beginnt unser Urlaub mit einer kleinen Wanderung an den Fuß des Gletschers, hinein in einen frei gefrästen Eistunnel. Eine wunderschöne Aussicht den Gletscher hinauf und das Walliser Tal hinunter lässt unser Radlerherz höher schlagen - da geht es gleich hinunter! Von jetzt an wird uns das türkise Gletscherwasser des Rotten, wie die Rhône hier noch heißt, begleiten. Vom alten Berghotel Belvédère geht die Schussfahrt hinunter nach Oberwald los. Immer wieder halten wir an und staunen über die Bergpracht. Ab Oberwald wird es flacher, ab und an geht es auch wieder steil bergauf, aber wir kommen gut voran in Begleitung des rauschenden Rotten. Wunderschöne Holzhauskulisse wechselt sich mit grünen Kuhwiesen ab. In Münster gibt es eine erste Pause. Ansonsten genießen wir die Strecke und finden in Visp eine erste schöne Herberge. Es fühlt sich bereits wie Urlaub an - Ziel erreicht. Ein paar Impressionen findet ihr in der Bildergalerie.

Tag 3: Rollen nach Martigny

Gleich hinter Visp beginnt die Welt des Weines an den steilen Hängen. In diese Landschaft hat sich der Dichterfürst Rilke verliebt und seine letzten Jahre im Dorf Raron verlebt. Diesen kleinen Abstecher gönnen wir uns und steigen auf zum Grabe des Poeten, der oberhalb des Dorfes an der Burgkirche bei herrlichem Ausblick seine letzte Ruhe fand. 
Weiter dann kommt Wind auf und eine bedrohliche Gewitterfront schiebt sich das Tal hinauf. Bis Susten schaffen wir es noch gerade rechtzeitig unter das schützende Dach einer Tankstelle und können in Ruhe das Schauspiel der Wassermassen betrachten. Genauso schnell, wie das Gewitter kommt, reißt der Himmel auch wieder auf und wir können bald weiter.
Ab Sierre/Siders wird französisch gesprochen und tatsächlich haben wir sofort das Gefühl in Frankreich zu sein: Bouleplätze, alte Männer beim Mittagsschoppen an der Bar, Kühe ohne Glocken und immer mehr Weinberge säumen unseren Weg. Direkt am Flussufer verläuft der Weg, Wein oder Obstplantagen sind unsere stetigen Begleiter. 
Es rollt so gut, dass wir den Abzweig in den Stadtkern nach Sitten/Sion verpassen. Die beiden Stadthügel mit Burgkirche und Ruine des Bischofssitzes grüßen schon vom Weiten imposant, wir entscheiden uns aber, weiter nach Martigny zu radeln um dort den Wein der Region zu genießen. 

Tag 4: Zum Lac Léman nach Vevey

Bevor es weiter geht, genießen wir den Vormittag in Martigny. Ein Frühstück am Place Central ist schon typisch französisch.
Die beeindruckende Sammlung in der Fondation Gianadda hält uns eine gute Weile in Atem besonders faszinierend sind die Reisefotos des Stifters Pierre Gianadda und der wunderbare Skulpturenpark hinter dem Museum.
Danach radeln wir langsam aus Martigny und machen einen kleinen Abstecher zum imposanten Wasserfall Pissevache. Es geht durch freundliche kleine Orte, wobei Saint-Maurice mit seiner uralten Abtei für alle Nachahmer einen Stop wert ist.
Kurz vor Villeneuve sehen wir die Rhône in den großen Lac Léman aufgehen. Wir werden sie in Genf wiedersehen und sind die nächsten Tage gespannt auf die mondäne Uferregion des Sees. Über Villeneuve geht es gleich in das berühmte und quirlige Montreux. Hier herrscht Trubel, als wäre schon Hochsaison. Es wird viel Russisch gesprochen. Uns schreckt diese Gesellschaft der Reichen und Schönen eher ab. Diese Art zur Schau stellen von Autos, seltsamen Hunden und teurer Garderobe beim Flanieren vor den teuren Hotels ist irgendwie aus der Zeit gefallen.
Bei der Weiterfahrt nach Vevey ist dann auch das größte Ärgernis, dass diese deutschen SUVs die Straßen und Wege verschandeln. Wer hier aufwächst, muss doch für einen realistischen Blick auf die Welt verloren sein.
Vevey ist immer noch schick, aber wieder normal. Charlie Chaplins letzter Aufenthaltsort ist angenehm zum Wasser geöffnet, ein erstes Bad im See ist möglich und an der Promenade wird gut gegessen. Der Ort gefällt uns und wir bleiben.
Fondation Gianadda

Tag 5: Am Ufer des Lac Léman

Die Weinterassen von Lavuax sind das erste Highlight auf unserem Weg über Lausanne Richtung Genf. Obwohl der Radweg eigentlich oben durch die Weinberge führt, entscheiden wir uns Kräfte zu sparen und die Seestraße zu nehmen. Hier geht zwar einiger Verkehr, aber die Straße hat durchgängig einen breiten gelb markierten Radstreifen. Das beschauliche Weinterassenpanorama sieht von hier aus ebenso schön aus, und wer da oben rumtragest, dem entgehen die angenehm unaufgeregten hübschen Kleinstädte wie Cully.
In Lausanne tauchen wir in die Geschichte Olympias ein. Das Museum feiert allerdings eher den Olympischen Pomp statt des Olympischen Geistes. Uns hat diese Multimediaveranstaltung eher überfordert. Der Park am Musée Olympique ist dagegen wunderschön angelegt und hält einige Kunstschätze bereit, unter anderem treffen wir unseren kolumbianischen Bekannten Fernando Botero wieder.
Weiter am Wasser geht es durch schöne Urlaubs- und Weinorte bis vor die Tore Genfs. In Versoix machen wir Station.

Tag 6: Genf

Der sonnige Morgen in Versoix beginnt für Sigrun mit einer Schwimmeinheit. Dann Frühstück am See und entspanntes Einrollen in die kleinste Weltstadt Genf. 
Kaum zu glauben, dass hier nur etwas mehr als 200.000 Menschen wohnen. Der allgegenwärtige Reichtum ist dem Besucher fast unangenehm. Die Stadt selbst liegt wunderschön am See, der Blick auf das Mont-Blanc-Massiv und die vielen Yachten im See, die Wasserfontäne und die Kirchtürme der Altstadt, die Flaneure und geschäftigen Banker und Diplomaten - ein fremdartiges faszinierendes Schauspiel für den einfachen Radtouristen. Wir tauchen hier ein wenig ein und radeln dann langsam, weil steil, hinaus Richtung Frankreich!
… weiter geht es mit dem Abschnitt „bis Lyon