Ab Vienne ist alles wieder gut. Aber bis dahin, muss man allen Nachahmern eine Warnerfahrung mitgeben: Die Strecke an der Straße aus Lyon heraus am Westufer ist nicht so schlimm, wie es der
Reiseführer vorhersagt. Schlimm wird es erst ab Charly, wo wir die Seite wechseln und einen sehr schmalen Schotterweg mit vielen Hindernissen und extremen kurzen Steigungen bewältigen müssen. Mit
Radanhänger kann man diese Strecke nicht fahren. Alle, die von Lyon nach Süden fahren, sollten deshalb lieber auf der Westseite bleiben und die Landstraße D 315 nehmen. In Givors kann man dann wieder
der Beschilderung folgen.
Wir ertränken unseren Ärger über diese schlechte Passage in einem kühlen Bier in Vienne. Ein quirliges Städtchen, das für seine Jazzfestivals berühmt ist. Eigentlich wollten wir uns hier ein Zimmer
buchen, aber alles war ausgebucht. Deshalb fahren wir weiter nach Condrieu und bereuen es nicht. Wir finden einen ersten Zeltplatz, der angenehm bodenständig und ausschließlich für Radler
eingerichtet ist. An der Île de Pecheur entscheiden wir uns für einen ersten Pausentag. Am Fuße der berühmten Weinberge von Condrieu stellen wir unser Zelt auf und probieren fortan die Produkte
dieser besonderen Lage.
Das sagt
Weinkenner zur Condrieu-Apellation: „Die hochkarätigen, teuren Weine aus Viognier-Trauben gehören zu den
außergewöhnlichsten Weißweinen der Welt.“
Es wird wärmer und wärmer, schöner und schöner. Die nächsten berühmten Weinhänge erreichen wir in Tournon-sur-Rhône, wo man auf die gegenüberliegenden Weingüter schaut. Von hier kommt der
berühmte„Hermitage“ und auch der Cru Saint Joseph.
Die Strecke ist nun sehr gut ausgebaut, der kräftige Mistral weht uns in den Rücken - so kann man auch die Temperaturen jenseits der 30 °C ertragen und ans Ziel kommen. Die Obstplantagen werden auch
immer südlicher: Apfel und Birne wird von Aprikose, Pfirsich und Kiwi verdrängt.
Im schönen Valence genießen wir den Abend bei einem guten Essen im Restaurant „Chez Grand Mère“.
Der Tag wird heiß und deshalb machen wir uns früh auf den Weg. Vivier liegt auf halbem Weg noch Avignon. Dort erwartet uns eine schöne Herberge mit Pool, damit wir endlich mal ins Wasser kommen.
Denn die einladenden Fluten der Rhône sind nicht erreichbar, auch wenn wir sie schon fast 1000 km begleiten. Hier herrscht absolutes Badeverbot. Die liebliche Landschaft des Rhônetals wird immer
wieder von Wasser- und Atomkraftwerken durchbrochen. Der Fluss ist fast vollständig kanalisiert.
So konzentrieren wir uns auf Ortschaften, die am Wegesrand Erfrischungen bieten. Jede mögliche Bar wird bei dieser Hitze angesteuert. La Voulte-sur-Rhône, Rochemaure, Montelimar und schließlich
Vivier bieten immer wieder herrliche Flusspanoramen. Unten das blaue Band, hoch oben die mittelalterlichen Burgruinen.
Im wunderbaren Garten unserer Herberge „Les temps des pauses“ liegen wir als bald am Pool und genießen den Nachmittag.
Für unsere längste Etappe haben wir uns den heißesten Tag ausgesucht. Kurz vor 9.00 Uhr sind wir deshalb nach einem kleinen französischen Frühstück die Platanenallee von Viviers hinausgeradelt.
Die alte Bischofsstadt hatte es uns angetan. Der südliche marode Charme mit undurchdringlichem Gassengewirr, so kann man die Kathedrale am Hang erreichen und ins Tal hinabblicken.
Nun kämpfen wir wieder unten gegen die aufkommende Hitze und sind über jeden Luftzug froh, auch wenn er von vorn kommt. Erstaunlich schnell kommen wir unserem Ziel näher.
Viele kurze Trinkpausen, einen Blick hinüber nach Pont Saint-Exprit, wo die Ardeche dazustößt, und dann noch eine gute Stärkung in Caderousse (Wurstplatte am Rathausplatz) - und schon sind wir in
Avignon. Unser Appartment ist schnell gefunden und wir gönnen uns einen zweiten Pausentag, damit wir die Stadt auch in Ruhe genießen können.
Der obligatorische Besuch des Papstpalastes und wilde Streifzüge bei 40 °C durch die Gassen von Avignon - eine wundervolle Stadt, auch wenn wir uns den Hype um die kaputte Brücke „St. Bènezet“ nicht
so richtig erklären können. Dass Sebastião Salgado gerade im Papstpalst ausstellt, war ein wunderbarer Nebeneffekt.
Ein letzter Blick von der westlichen Flussseite auf die Pont d´Avignon und dann geht es in die Hitze. Es sind zwar nur ca. 60 km nach Arles, wo uns ein weiteres pittoreskes Highlight erwartet,
aberdie Strecke ist bei Temperaturen um die 40°C und wenigen Schattenplätzen eine Herausforderung. Es geht durch die Gassen der Weingüter vor Arles im Zickzack zum Ziel.
Die Stadt ist ein Traum. Man braucht sicher lange, um sich hier zurecht zu finden. Wir lassen uns treiben, entscheiden uns für die Gassen, die etwas Schatten bieten, bewundern die alten
Kirchen,Paläste und die vielen kleinen Plätze mit ihren Brasserien und Restaurants. Hier unter den Platanen kann man es sogar bei diesen Temperaturen aushalten. Die Nähe zum Meer und die
landwirtschaftliche Umgebung bieten der arlesianischen Küche zudem das Beste. Camargueweine und Austern, Loup de mer und gegrilltes regionales Gemüse usw., Arles ist ein Paradies für
Schlemmerfreunde.
In der Foundation „Vincent van Gogh“ haben wir mit einer Ausstellung Glück, die unseren beschränkten Horizont ein wenig erweitert: „Nicole Eisermann et les modernes - Têtes, baisers, batailles“.
Einespannende Auseinandersetzung mit der Moderne. Neben den großartigen Werken Eisermanns sehen wir so auch Werke von Beckmann, Kirchner, Nolde, Picasso u.a. und - obwohl es eigentlich nicht ein
einzigesBild von ihm in Arles gibt - Vincent van Gogh.
In ein paar Tagen werden wir hierher noch einmal für einen letzten Schlemmerabend zurückkehren um dann die Rückreise mit dem Zug über Lyon nach Mulhouse und Basel zu nehmen. Bis dahin geht es ans
Meer.
…
Hinaus gegen den Wind, der hier stetig von Süden die Rhône hinaufgeht. Am Ortsausgang von Arles noch ein kleiner Halt an der berühmten, von van Gogh gemalten Kanalbrücke und dann geht es 40
kmschnurgerade gegenan.
Bei Mas-Thibert machen wir eine erste Brasseriepause und biegen in den Nationalpark „Marais de Vigueirat“ ab. Auf einem Spaziergang kann man die Camarguepferde und jede Menge Wasservögel
beobachtenund sich schon mal an die berühmten „les moustiques“ der Camargue gewöhnen. Es ist halt ein Sumpfgebiet, dass sich hier durch das Flussdelta der großen und kleinen Rhône etabliert
hat.Landwirtschaftlich allerdings erschlossen und mit großen Reisfeldern oder Salinenteichen bedeckt.
Ziemlich erschöpft erreichen wir unseren Zielort Port Saint Luis und beziehen unsere Lodge am Stadtrand. Von hier sind es noch 6 Gegenwindkilometer zur Plage Napoléon. Am Rand dieses breiten und
vonSanddünen eingefassten Sandstrandes beendet die Rhône ihren Weg von den Ursprüngen der Walliser Alpen zum Mittelmeer. Hier gibt es den Zieleinlauf und ein paar Tage Strandurlaub. Wir genießen das
brausende Meer, das gute Essen und die Sonne, die wegen des anhaltenden kühlen Windes gut auszuhalten ist. In unserer Nähe ist ein Muschelhändler, der uns mit Austern und Muscheln versorgt -
herrlich.
Einen Ausflug auf die Westseite der Rhône, hinein in die Salzteiche der Camargue, gönnen wir uns noch - natürlich wollen auch wir die Flamingos sehen und werden nicht enttäuscht. Diese
Tagestour ist mit dem Rad sehr zu empfehlen!